RINGSCAFF-Treppenturm in der Antarktis im Einsatz
Das Alfred-Wegener-Institut betreibt in der Antarktis seit mehr als 20 Jahren die Kohnen-Station. Auf der Forschungsstation werden verschiedenste Untersuchungen in den Bereichen Klimaforschung, Luftchemie, Meteorologie u. ä. vorgenommen. Auch nehmen die Wissenschaftler hier Eiskernbohrungen vor, um zu untersuchen, wie sich in der nahen, fernen und ganz fernen Vergangenheit die Klimaverhältnisse entwickelt haben. Die Untersuchung von in tiefliegenden, alten Eisschichten eingeschlossener Luft gibt beispielsweise Auskunft über deren Zusammensetzung in lange zurückliegenden Zeiten – Fachleute sehen in den gewonnenen Eiskernen eine Art „Klimaarchiv“.
Da die Kohnen-Station nur in den arktischen Sommermonaten von November bis Februar bewohnt werden kann, ziehen die wechselnden Forscher-Teams von der ganzjährig betriebenen Basis Neumayer-Station III für mehrere Monate 750 km weit ins Inland auf 2.892 m Höhe, um auf der bis zu 20 Personen fassenden Kohnen-Station neue Bohrungen vorzunehmen oder andere klimarelevante Proben und Daten zu sammeln und auszuwerten.
Das Team um den Stationsverantwortlichen Holger Schubert, das sich um die Jahreswende 2021/22 dort aufhalten sollte, hatte noch etwas Besonderes im Gepäck: das Material für einen RINGSCAFF-Treppenturm von Scafom-rux, das dem Hersteller aus dem westfälischen Hagen die Chance gab, sein laut Vertriebsmitarbeiter Maximilian Rux „südlichstes Projekt ever“ zu realisieren. Und wahrscheinlich das kälteste.
Aber der Reihe nach: Nach 14tägiger Quarantäne in Cape Town, Südafrika, und anschließendem Flug zur Neumayer-Station III in der Antarktis begann die Kohnen-Besatzung der Saison 2021/22 mit der Vorbereitung der Traverse zum eigentlichen Zielort – „Traverse“ nennt man den Transport von Fracht und Ausrüstung mit Hilfe von Pistenbullys und Schlitten. Das hat allerdings mit Husky-Romantik nichts zu tun, denn jedes dieser Fahrzeuge zieht jeweils mehrere Container von bis zu 35 Tonnen Gesamtgewicht.
Die Vorbereitungen für die 750 km weite Fahrt in das Inlandeis verliefen sehr zügig und konzentriert, doch der Abreisetermin musste immer wieder verschoben werden, denn als sich auf dem Gebiet des Weddellmeers ein sehr starkes Tief mit Schneesturm und Wind bis zu 130 km/h festsetzte, war es nicht möglich, die Traverse zu starten. Nach etwa zwei Wochen Wartezeit zeigte sich endlich ein kleines Wetterfenster.
Das neunköpfige Team nutzte die Chance, und der Konvoi, bestehend aus 6 Fahrzeugen, die jeweils 3 Containerschlitten zogen, setzte sich in Bewegung. Mit Schneetreiben bei einer Sichtweite von ca. 25 Metern waren die Bedingungen alles andere als ideal aber laut Holger Schubert, der immerhin seine 21. Antarktis-Saison bestritt: „Beherrschbar.“ Die lange Fahrt bis zur Kohnen-Station dauerte 10 Tage. Bereits auf der Strecke wurden Schneehöhenmessungen im wissenschaftlichen Auftrag durchgeführt. Auch Schneeproben und andere Untersuchungen standen auf der Tagesordnung.
Die Schneeverhältnisse gepaart mit den erwähnten 35 Tonnen Last, die jeder Pistenbully ziehen musste, machten die Reise äußerst anspruchsvoll. Festfahren, Anschieben und Wiederausgraben der Züge begleiteten die Bergfahrt, bei der es letztendlich bis auf fast 3.000 m Höhe ging. Am 2.12.2021 erreichte der Konvoi die Kohnen-Station und erweckte sie aus ihrem unbemannten Winterschlaf. Die Infrastruktur wurde aufgebaut und alles eingerichtet, was zum Leben notwendig war. Die wissenschaftlichen Forschungen sowie die Wartungsarbeiten am Graben – dem sogenannten Bohr-Trench –, in dem die Bohreinheit untergebracht war, sowie an der Station selbst konnten aufgenommen werden – Tausch des in die Jahre gekommenen Stationsgenerators inklusive.
Gleich nach dem Jahreswechsel wurde das Projekt RINGSCAFF-Treppenturm in Angriff genommen. Der sollte nämlich im wissenschaftlichen Zentrum der Anlage zum Einsatz kommen: dem erwähnten Bohr-Trench. Dieser wurde vor gut zwanzig Jahren angelegt. Dazu war ein ca. 70 Meter langer Graben (5,5 Meter breit und seinerzeit 6 Meter tief) aus dem Eis gefräst worden. Dann wurde ein Holzdach drüber gebaut und die gesamte Bohrausrüstung dort hinein gesetzt, immer gut geschützt vor Wind und Wetter. Holz und Schnee? Holger Schubert winkt ab: „Bei einer Luftfeuchtigkeit, die gegen null geht, macht der Schnee dem Holz nichts aus. In der trockenen Antarktis-Luft rostet auch kein Metall.“
Im Bohr-Trench wurde im Verlauf der Jahre seit dem ersten Einsatz ein Eis-Kern (in 1-Meter-langen Stücken) von beachtlichen 2.774 Meter Gesamtlänge aus der Tiefe ans Tageslicht gefördert. Der natürliche Schnee-Zutrag hatte es nach 10 Jahren erforderlich gemacht, ein zweites Dach über dem ersten zu errichten, um den Trench zu erhalten und weiterhin Zugang zum Bohrloch zu gewährleisten, das über all die Jahre weiterhin wissenschaftliche Daten geliefert hatte. Der Schnee war dann vom unteren Dach entfernt und das Dach fortan als Zwischendecke zum Verstauen von Proviant und Ausrüstung verwendet worden.
Die Höhe (oder besser Tiefe) des Grabens betrug mittlerweile ca. 10 Meter – also 4 m mehr als beim ursprünglichen Anlegen. Um weiter einen sicheren Zugang zum Trench und Bohrloch zu gewährleisten, entschied man sich für einen Treppenturm von Scafom-rux, der sukzessive in der Höhe anpassbar war und der mit einfachem Handling sowie robustem Materialdesign selbst bei extremen Minusgraden problemlosen Aufbau gewährleistete. Um die Durchbrüche für den Treppenturm zu fertigen, räumte das Team den Schnee vom Dach, schnitt das Dach auf beiden Ebenen auf und stütze es von unten ab. Eine Kontrolle und Ausbesserung des Fundaments wurde ebenfalls vorgenommen.
Nun ging es daran, die beim Gerüsthersteller Scafom-rux in Hagen vor Monaten erlernten Handgriffe in ‘zigtausend Kilometern Entfernung wieder abzurufen und das erste Segment des RINGSCAFF-Treppenturms aufzubauen. Der Aufbau des Modulgerüsts fand bei besten Wetterbedingungen statt. Das hieß in der Antarktis: Klarer Himmel, wenig Wind, Außentemperatur (außerhalb vom Trench) um die -36° Celsius, im Trench um die -46° Celsius. Stationsleiter Holger Schubert: „Wir vermieden, den Stahl mit bloßen Händen anzufassen und sicherten die Kollegen. Da wir uns schon länger an der Station befanden, hatten wir uns an die Temperaturen gewöhnt und brauchten nicht mehr die ganz dicken Overalls. Dadurch konnten wir uns verhältnismäßig frei bewegen.“
Man entschied sich aus Platzgründen für den Aufbau im Außenbereich. So musste nicht erst das ganze Material nach unten auf den Boden des Grabens geschafft werden, um sich dann relativ beengt nach oben vorzuarbeiten. Nach Fertigstellung wurde das erste Segment des Treppenturms komplett mittels eines als Kran fungierenden Pistenbullys in den Schacht abgelassen, nachdem die betonharten Schneewände mittels Kettensägen noch etwas korrigiert worden waren. Das erste Segment wurde dann ausgerichtet – tatsächlich lassen sich auch in antarktischen Temperaturen Wasserwaagen verwenden! – und in die gewünschte Position gebracht. Danach wurde der Turm bis an den Rand des Grabens hochgebaut. Nach dem Festkeilen der Bauteile erhielt man einen sehr stabilen, sicheren und perfekten Zugang zum Trench.
Zum Ende der Saison wurde der Turm vor dem Verlassen der Station soweit zurückgebaut, dass das Dach wieder verschlossen werden konnte. Somit wurde verhindert, dass der Driftschnee des kommenden Winters nach innen gelangt. In einer kommenden Saison soll ein drittes Dach installiert werden, um das jetzige Dach zu entlasten. Dann wird der Treppenturm weiter ausgebaut – auf eine vorläufige Gesamthöhe von ca. 14 Metern.
Fazit: Trotz einer schwierigen und vom schlechten Wetter bestimmten Saison wurden auf der Station viele Projekte auf wissenschaftlichem, logistischem und technischem Gebiet durchgeführt und erfolgreich zum Ende gebracht. Und dass ein unter normalen Umständen als relativ unspektakulär abgestempelter Treppenturm nun im ewigen Eis seinen nützlichen Dienst im Namen der Wissenschaft tun kann, freut die Mitarbeiter des Herstellers natürlich ungemein. Holger Schubert bedankte sich in einer Mail nochmal persönlich bei Scafom-rux: „(...) für das gelieferte Material und die freundliche Unterstützung. Vielen Dank auch an alle Kollegen, die mit mir die Gerüstmaterial-Schulung durchgeführt haben. Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben und Geduld aufgebracht. Die Ratschläge und Tipps waren sehr hilfreich und haben unsere Arbeit sehr erleichtert. Auch die überreichten HöhenFreak-Hoodies haben unter Extrembedingungen sehr schön warm gehalten.“