Komplexe Raumrüstung samt Verkleidung in der größten Barockkirche nördlich der Alpen
Im Südosten Baden-Württembergs, nahe Ravensburg, findet man das Städtchen Weingarten, das sich seit der Weihe der Basilika St. Martin im Jahre 1724 rühmen darf, Standort der größten Barockkirche nördlich der Alpen zu sein. Seinerzeit hieß Weingarten allerdings noch „Altdorf“; seit 1865 ist der Name des Klosters Weingarten auch der Name der Stadt. Die Basilika ist Teil dieses Klosters, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1056 zurückreichen. Der Kirchenbau wurde dem Petersdom in Rom nachempfunden – im bescheidenen Maßstab 1:2, was ihm immer noch eine stolze Länge von 102 m einbringt, bei einer Kuppelhöhe von 67 m. Musikkenner wird es interessieren, dass die Basilika über eine technisch und kulturhistorisch bedeutende Orgel des Baumeisters Joseph Gabler mit über sechseinhalbtausend Pfeifen verfügt, deren außerordentlich komplexe Bauweise dem Umstand geschuldet ist, dass die 6 Fenster der Westfassade, an der die Orgelpfeifen positioniert sind, nicht verdeckt werden durften. Vollendet wurde die Orgel nach 13-jähriger Bauzeit 1750.
Mit komplexer Baukunst durfte sich mehr als 270 Jahre später nun die Lindner Gerüstbau GmbH aus Kolkwitz auszeichnen, als sie den Auftrag erhielt, für die umfangreiche Sanierung bis 2026 Innen- und Außenrüstungen in drei zeitlichen Bauabschnitten zu stellen. Restaurierung der Deckenfresken, Sanierung aller Wandflächen im Innenbereich sowie Dach- und Fassadensanierung standen auf dem Wunschzettel des Bauherren: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Ravensburg.
Lindner Gerüstbau ist Teil der Lindner Group, einem europaweit tätigen Unternehmen für Innenausbau, Fassadenbau und Isoliertechnik. Fassaden- und Industriegerüstbau, Sonderkonstruktionen, Schwerlastgerüste und Gerüste für architektonisch anspruchsvolle Bauwerke im chemischen und petrochemischen Bereich sind die Schwerpunkte des seit 2005 existierenden Betriebs.
Die Zugänge zum der Basilika angeschlossenen Klostergelände waren zwar seinerzeit für Kutschen breit genug, verwehren aber heutigen Sattelzügen die Durchfahrt, so dass das erforderliche Gerüstmaterial auf Pritschenwagen im 3,5-Tonnen-Maßstab umgeladen werden musste. Für den vertikalen Transport in der Kirche wurden unterhalb des Gewölbes zwei GEDA-Aufzüge eingesetzt, oberhalb des Gewölbes erfolgte der Materialtransport über einen eigens geschaffenen Zugang durch die Kirchenfenster in der Fassade mit einem Scanclimber 2000.
Für die umfangreiche Anpassung des Gerüstes an die aufwendige Gebäudegeometrie im Inneren des Barockbaus kamen bei Lindner Gerüstbau 280 t RINGSCAFF-Modulgerüst des Hagener Herstellers Scafom-rux zum Einsatz: Ca. 13.000m³ des vielseitig einsetzbaren Systems wurden verbaut. Die Überspannung der Chor- und Langhausgestühle wurde dabei als stehendes Fachwerk über drei Gerüstlagen ausgeführt. Hier konnte Lindner Gerüstbau seine ganze Erfahrung für hochkomplexe Raumrüstungen ausspielen, die sonst eher im Bereich der chemischen und petrochemischen Industrie zum Tragen kommen. Völlig im Kontrast dazu stand die Anforderung, bei Aufbau und Betrieb äußerste Vorsicht walten zu lassen, um keinerlei Schäden an der Innenausstattung des prachtvollen Kirchenbaus zu riskieren. Motto des Aufbaus: „Kein Kratzer!“ Doch selbst die filigransten Aussparungen und Lückenschlüsse – so mussten mehrere in großer Höhe an Wänden und Decke positionierte Reliefs und Skulpturen geradezu kunstvoll umrüstet werden – wurde von der Lindner-Truppe gemeistert.
Für den zusätzlichen Schutz der wertvollen Inneneinrichtung – darunter bedeutende Fresken, Schnitzereien und Altäre – wurde nach der Gerüsterrichtung auf ca. 1.400m² die sicht- und staubdichte Einhausung der vertikalen Flächen mit der systemübergreifend einsetzbaren Gerüstbekleidung SCAFFGUARD vorgenommen, das auch gleichzeitig schalldämmend in Richtung Kircheninnenraum wirkte. Denn Letzterer musste während der Standzeit weiter für Besucher nutzbar bleiben. Dank der leichten Handhabung des SCAFFGUARD-Systems sowohl beim Zuschnitt als auch bei der Montage, war es den Profis von Lindner möglich, selbst die komplexen Deckenwölbungen und -ausschnitte formgerecht mit den leichten Kunststoffplatten auszukleiden. Wer bisher der Meinung war, Gerüstbau sei eher ein Handwerk „fürs Grobe“, der darf sich angesichts dieses außerordentlichen Projekts eines Besseren belehren lassen. Zu guter Letzt wurden im Außenbereich auch noch 2.100 m² Fassadengerüst verbaut. Ein Einsatz, der sich im Vergleich zur Innenkonstruktion technisch geradezu bescheiden gibt. 6 Lindner-Mitarbeiter hatten für die Fertigstellung der Innen- und Außenrüstungen des ersten Bauabschnittes 10 Wochen Zeit.
Die Planung der komplexen Rüstung wurden von der Firma AeDis AG für Planung, Restaurierung und Denkmalpflege aus Ebersbach-Roßwälden in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Speer aus Karlsruhe ausgeführt, die statischen Berechnungen erfolgten durch das Ingenieurbüro Specht aus dem westfälischen Schalksmühle.
Lindner-Bauleiter Stefan Schiller freut sich schon auf die nächsten Bauabschnitte der Basilika-Restaurierung: „Wir haben bei Lindner schon ein sehr breites Einsatzspektrum, bei dem man für Lösungsfindungen gern mal auf einen Fundus an geballter Erfahrung zurückgreift. Aber wir sind auch nicht ängstlich, neue Ideen zu verwirklichen, denn wir arbeiten mit extrem gut geschulten Personal, mit Top-Material und qualifizierten Partnern. Aber an so einem Projekt mitwirken zu können, ist natürlich auch für uns etwas ganz Besonderes!“